Von Rebecca F. Kuang
„Yellowface“ erzählt die Geschichte von Juniper „June“ Hayward und Athena Liu, zwei jungen, ambitionierten Schriftstellerinnen, die sich im ersten Jahr an der Yale University kennen lernten und seitdem, lediglich durch äußere Umstände, befreundet sind. June kann Athena nicht besonders leiden, denn sie hat alles, was June nicht hat: einen Mehrbuchvertrag bei einem renommierten Verlag, eine ellenlange Liste mit Preisnominierungen und einen Lebenslauf voller namhafter Künstlerresidenzen. Währenddessen ist Junes Debütroman ein Flop und sie hält sich mit Tutorenjobs über Wasser. Als die beiden eines Abends Athenas nächsten Erfolg feiern – einen Vertrag mit Netflix – stirbt diese auf kuriose Weise, mit June als einziger Zeugin.
Die schnappt sich kurzerhand Athenas unveröffentlichtes Manuskript für „Die letzte Front“, ein historischer Roman, der das chinesische Arbeitercorps im ersten Weltkrieg behandelt, und veröffentlicht ihn unter dem chinesisch klingenden Synonym Juniper Song. Was dann folgt, ist der Ruhm, den sie sich immer gewünscht hat, aber der bringt auch dunkle Seiten mit sich – Twitter-Beschimpfungen, Plagiats- und Rassismusvorwürfe und sogar Morddrohungen. Nun muss June alles tun, um ihre Lüge aufrecht zu erhalten.
Selten war ich beim Lesen eines Romans so zwiegespalten wie bei „Yellowface“. R.F. Kuang hat so geschickt eine Doppelmoral eingebaut, dass ich immer wieder, obwohl ich weiß, dass das, was June da tut, falsch ist, Mitleid für sie empfand. Einerseits will man, dass sie für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen wird, aber andererseits ist es auch spannend zu sehen, wie lang sie ihr Netz aus Lügen noch weiterspinnen kann. Nebenbei schafft das Buch es auch noch, auf satirische Art eine Seite der Buchbranche zu zeigen, über die kaum gesprochen wird:
Wer darf seine Geschichte erzählen? Welche Schriftsteller:innen werden von den Publishern abgelehnt, weil ‚es schon eine Person of Colour gibt‘?
„Yellowface“ ist ein Buch, das mich noch lange, nachdem ich es geschlossen hatte, zum Nachdenken gebracht hat. Und das sind meiner Meinung nach die besten Bücher.