Prinzessin Fantaghiro ist die Jüngste von drei Königstöchtern und kaum zu bändigen. Die Regeln am Hof ihres Vaters sind ihr zuwider und nur zu sticken und gesittet beim Tee zu sitzen, findet sie langweilig. Sie reitet viel lieber und liest Bücher. Verbotenerweise streift sie außerdem oft stundenlang in den Weißen Wäldern umher.
Der König schämt sich schließlich so sehr für seine ungezähmte Tochter, dass er ihr verbietet auf den königlichen Ball des Nachbarlandes mitzureisen. Doch Fantaghiro interessiert das nicht. Ohne viel Federlesen schneidet sich die junge Königstochter daraufhin ihre Haare ab und tritt als Stallbursche verkleidet die Reise an. Als sie unterwegs allerdings angegriffen werden, steht sie plötzlich vollkommen allein und nur mit einem Stock bewaffnet dem gutaussehenden Schwertkämpfer Alessio gegenüber – und der hält sie für einen Jungen…
Bei diesem Buch handelt es sich um eine Märchenadaption. Also eine Nacherzählung und/oder Abänderung eines traditionellen Märchens. Dabei kann auch der Inhalt beliebig abgeändert werden, was in diesem Werk ausgiebig, aber angemessen gemacht wurde.
Ursprünglich stammt das toskanische Märchen von Prinzessin Fantaghiro aus dem neunten Jahrhundert und ist eher unbekannt. Zuletzt wurde eine italienische Märchenfilmreihe in zehn Teilen davon inspiriert. Allerdings startete diese ab 1991 und fand 1996 ein Ende.
2017 hat sich die Bestsellerautorin Jennifer Alice Jager die Geschichte vorgenommen. So ist „Prinzessin Fantaghiro – Im Bann der weißen Wälder“ schließlich in meinen Händen gelandet.
Ich bin mit Märchen aufgewachsen und habe schon als Kind den Zauber dieser Erzählungen gespürt und geliebt. Wundersames geschieht, sie strotzen nur so vor Abenteuern und trotzdem kann man etwas lernen über das Leben, wenn man nur ganz genau hinhört. Dies ist nicht anders bei Märchenadaptionen.
Eines der Hauptthemen im Buch liegt in der Rolle der Frau und des Mannes zur damaligen Zeit: Der Mann zieht voller Mut in den Krieg und die Frau bleibt zuhause und hat schön auszusehen. Prinzessin Fantaghiro muss sich also als Mann verkleiden, um ihr Vaterland verteidigen zu dürfen und als stark angesehen zu werden. Der Prinz verliebt sich in sie und hat erst einmal Panik, dass er schwul sein könnte. All diese Themen sind brandaktuell und werden diskutiert und debattiert. Hierbei sei verwiesen auf die LGBTQIA+ – Bewegung und den nach wie vor existierenden Kampf, wenn Frauen trotz gleicher Stelle und Ausbildung weniger Lohn erhalten als ihre männlichen Kollegen. Jennifer Alice Jager nimmt diese Themen und spinnt sie wie nebenbei in ihre Geschichte ein. Dabei gibt sie der Hauptfigur aber nicht einfach Superkräfte. Prinzessin Fantaghiro zeichnet sich nach wie vor über ihren Mut, ihren starken Willen und ihre Gerissenheit aus. Wo die Autorin an Magie bei diesem Charakter gespart hat, umso mehr liegt ein Zauber über den weißen Wäldern. Was will man mehr?
Ein weiterer Punkt, den ich mag, ist die pure Unvorhersehbarkeit, die einen bis zum Ende mitfiebern lässt. Im Original wirken Märchen oft etwas eingestaubt und damit langweilig. Dieses Buch nimmt den Staubwedel und bringt ordentlich Wind in die Sache. Damit handelt es sich insgesamt um das Beste, das ich seit längerem gelesen habe.